GfR NRW e.V. :: Förderpreis 2017
Wie immer
in den ungeraden Jahren wurde auf dem Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium (diesmal in Frankfurt/M.) die Preisverleihung der Gesellschaft
für Rehabilitationswissenschaften Nordrhein-Westfalen vorgenommen. Dieser alle 2
Jahre verliehene Förderpreis soll innovative Arbeiten im Bereich der
Rehabilitationsforschung auszeichnen. Er ist mit 7.500 Euro dotiert und steht
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten
Disziplinen, die sich der Rehabiltationsforschung verschrieben haben, offen.
Preisträgerin 2017 ist Frau Elena Köckerling aus Rietberg, die ihre Forschungsarbeit zum Thema „Psychosomatische
Rehabilitation: Strukturelle Einflussfaktoren auf das Antragsgeschehen sowie
Veränderung des RehabilitandInnenkollektivs bzgl. der Behandlungsschwere im
Zeitverlauf" bei der GfR NRW eingereicht hatte.
In seiner Laudatio
verwies Direktor Christian Schöppner auf das Votum der Gutachter: "Die
Arbeit weist eine hohe Versorgungsrelevanz in der Reha auf, das
Forschungsvorhaben ist methodisch sauber, und theoretisch fundiert.
Insbesondere die Komplexität des Erkenntnisinteresses muss positiv herausgestellt
werden, ebenso wie die Kompetenz in der Handhabung und Aufbereitung großer
Datensätze."

Bild: Meik Schnabel (NRW-Forschungsverbund), Elena Köckerling (IfR Norderney), Christian Schöppner (Vorstand GfR)
Gegenstand der Arbeit ist die
Untersuchung struktureller Rahmenbedingungen auf den Rehabilitationserfolg in
der Psychosomatischen Rehabilitation. Die Zielsetzung der Arbeit ist es, den
Blick auf mögliche Einflussfaktoren zu lenken, die eher außerhalb des
eigentlichen Rehabilitationsgeschehens liegen. Die Autorin betrachtet das
Rehabilitationsgeschehen anhand der Daten eines regionalen Kostenträgers.
Insbesondere drei Fragestellungen leiten das
Forschungsinteresse:
- Welchen Einfluss haben der regionale Arbeitsmarkt
und die regionale ärztliche bzw. psychotherapeutische Versorgung auf das (regionale)
Reha-Antrags- und Ablehnungsgeschehen in der psychosomatischen Rehabilitation?
- Wie sehen die Krankheitskarrieren,
die Vorbehandlungen und die für den Reha-Erfolg relevanten Einflussfaktoren im Rehabilitanden- Kollektiv des Jahres 2015 aus?
- Können in dem 10-Jahreszeitraum von 2004 bis 2013 Veränderungen
in der Zusammensetzung des Rehabilitandenkollektivs festgestellt werden, die
relevant für den potentiellen Reha-Erfolg sind?
Insbesondere mit der ersten
Fragestellung, wurde in diesem Projekt
auch die Sektor-übergreifende gesundheitliche Versorgungssituation von Menschen
mit psychosomatischen Problemen in den Fokus genommen.
Eine der zentralen
Forschungshypothesen lautet folglich, dass aufgrund unzureichender
Behandlungskapazitäten im ambulanten Sektor die kurative Behandlung in die
Rehabilitation verlagert wird und damit
eine Kostenverlagerung von der Krankenversicherung zur Rentenversicherung
entsteht.
Zur empirischen Überprüfung dieser
unterschiedlichen und auch komplexen Forschungsfragen wurden unterschiedliche
Datenquellen und verschiedene der Fragestellung und den Daten angemessene
Methoden verwendet. Alle Erhebungen und Auswertungen wurden für die Gruppe der
Versicherten der DRV-Westfalen durchgeführt.
Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst
werden:
- In
Regionen mit geringeren ambulanten medizinischen bzw. psychotherapeutischen Versorgungsstrukturen
werden mehr Reha-Anträge gestellt. Die
Bewilligungsquote in diesen Regionen ist tendenziell höher. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese,
dass ein Ausweichen in die Rehabilitation in geringversorgten Gebieten erfolgt.
Die tendenziell höhere Bewilligungsquote weist auf einen - evtl. in Folge der Unterversorgung
entstehenden - höheren Reha-Bedarf hin.
Die Sicherstellung einer adäquaten ambulanten Weiterbehandlung nach der
Rehabilitation ist in diesen Regionen
erschwert, damit ist auch die Nachhaltigkeit des Reha-Erfolges gefährdet.
- Es kann kein signifikanter Zusammenhang
zwischen der Arbeitsmarktsituation und dem Reha-Antrags- und
Bewilligungsgeschehen nachgewiesen werden.
- Anhand der Rehabilitanden-Daten des
10-Jahreszeitraum kann nicht widerlegt werden, dass der Anteil der schwerer zu
behandelnden Fälle zugenommen hat; Es gibt Hinweise auf die Zunahme von
Faktoren, die für den Reha-Erfolg ungünstig sind, wie z.B. der Anstieg von
Rehabilitanden mit langen AU-Zeiten vor Reha. Gleichzeitig zeigen die Erfolgsparameter
ein gemischtes Bild: Die Quote der arbeitsunfähig
entlassenen Rehabilitanden hat im
-
10 Jahresverlauf zugenommen, dabei ist
die Quote der leistungs-fähig entlassenen Rehabilitanden allerdings gleich
geblieben.
- Eine logistische Regressionsanalyse
mit allen 10-Rehabilitandenjahrgängen im Hinblick auf förderlichen und hinderlichen Faktoren des
Reha-Erfolgs bestätigt die zeitliche Nähe zum Erwerbsleben als positiven Einflussfaktor
für den Rehabilitationserfolg und lange vorausgegangene Arbeitsunfähigkeitszeiten
als negativen Einflussfaktor.
- Vor diesem
Hintergrund konstatiert Frau Köckerling, dass den Maßnahmen zur medizinisch-beruflichen
Orientierung (MBOR) auch in der psychosomatischen Rehabilitation eine hohe
Bedeutung zukomme.
- Wichtig
erscheint der Autorin auch, auf die Heterogenität des Rehabilitandenkollektivs
hinzuweisen, insbes. hinsichtlich Erwerbssituation, Arbeitsfähigkeit und der
Vorbehandlung. Sie sieht hier in der Rehabilitation einen erheblichen
Individualisierungs- und Flexibilisierungsbedarf.